Öffentlichkeit ist ein demokratisches Gebot oder

bisher zwei spannende Wochen für die Wallufer Gemeindevertreter

Die Gemeindevertretung fasst ihre Beschlüsse in öffentlichen Sitzungen. Dies ist eine der grundsätzlichen, wesentlichen Festlegungen der Hessischen Gemeindeordnung. Denn die Beschlüsse der Gemeindevertretung sollen für die Bürger transparent sein.
Eine „Politik der Hinterzimmer“, „einsame Beschlüsse“ soll es nicht geben.

Die Corona-Virus-Pandemie stellt uns nun vor besondere Herausforderungen. Dass Gemeindevertreter Schulter an Schulter in den Ausschüssen oder in der Gemeindevertretung zusammensitzen, wäre gegenwärtig unverantwortbar: Das vorausgeplante Sitzungspensum kann nicht eingehalten werden. Daher können eventuell zeitkritische, in die Alleinzuständigkeit der Gemeindevertretung fallende Angelegenheiten nun nicht entschieden werden.

Dagegen sind pragmatisch erscheinende Auswege gesucht worden.

Zunächst wurde in Betracht gezogen, die Gemeindevertreter in einem Umlaufverfahren entscheiden zu lassen. Der Gedanke musste verworfen werden, nachdem bewusst wurde, dass dabei die Öffentlichkeit ohne gesetzliche Grundlage ausgeschlossen worden wäre.

Dann brachten vier Fraktionen im Hessischen Landtag am 23. März den Entwurf eines „Gesetzes zur Sicherung der kommunalen Entscheidungsfähigkeit“ ein: Nur der Landtag kann Ausnahmen von der Hessischen Gemeindeordnung beschließen oder Sonderregelungen in sie einfügen. Das geschah am 24. März. Doch beschlossene Gesetzesentwürfe werden erst nach ihrer Veröffentlichung geltendes Recht. Der nächste Staatsanzeiger für das Land Hessen erscheint am 28. März, so dass der Beschluss des Landtags erst ab dem 29. März Gesetz ist.

Es sieht künftig vor, dass an Stelle der Gemeindevertretung der Haupt- und Finanzausschuss

–       auch in nicht-öffentlicher Sitzung tagen oder

–       im Umlaufverfahren entscheiden kann

und zwar nur

–       in dringenden Angelegenheiten und

–       wenn Gründe des öffentlichen Wohls keinen Aufschub dulden.

Der Landtag befristet diese Regelung ausdrücklich auf ein Jahr, weil sie einen erheblichen Einschnitt in demokratische Prinzipien bedeuten.

Der Wallufer Haupt- und Finanzausschuss sollte, weil die Gemeindevertretung am 19. März des Infektionsschutzes ihrer Mitglieder und der interessierten Öffentlichkeit wegen nicht zusammenkommen konnte, bis zum 26. März im Umlaufverfahren über zwei als dringend bezeichnete Angelegenheiten entscheiden.

Damit wurde eine in Aussicht gestellte, aber eben noch nicht Gesetz gewordene Ausnahmeregelung bemüht. Das heißt, dass dieser letzte Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses ohne rechtliche Grundlage erfolgte, mithin rechtswidrig ist.

Die Fraktion der Bürgervereinigung Walluf (BVW) hat daraufhin den Bürgermeister der Gemeinde Walluf dringend gebeten, diesem Beschluss pflichtgemäß zu widersprechen, denn er verletzt das Recht.

Darüber hinaus ist fraglich, ob das öffentliche Wohl davon beeinträchtigt wird, wenn der Startschuss zum Umbau des Rheinufers an der Rheinallee vor der Schwabbel nicht jetzt, sondern erst später fällt. Die BVW meint, dass die Priorität der Gemeinde seit dem 11. März sein müsste, sich Gedanken über ihre künftigen Einnahmen zu machen: Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Virus-Pandemie werden nämlich auch tiefe Spuren im Haushalt der Gemeinde zeitigen. De facto ist der erst im Februar beschlossene Haushalt schon jetzt „Schnee von gestern“. Solange darüber keine seriöse Schätzung vorliegt, ist vollkommen unklar, ob wir uns diesen Umbau überhaupt noch werden leisten können. Bezahlen müssten ihn unsere Bürger und Unternehmungen, die gerade aber alle selber mehr oder weniger gebeutelt werden. Das öffentliche Wohl unserer Gemeinde hängt gewiss nicht von dem Umbau ab. Corona zwingt uns, neu zu denken – einfach weiter so, das geht nicht mehr.

Richard Reuter.